Mittwoch, 7. Januar 2015

32. Ich habe euch nicht vergessen!

Wahnsinn! Es ist nicht nur der Wahnsinn, dass wir mittlerweile das Jahr 2015 schreiben, sondern auch, dass das Kapitel Uruguay seit nunmehr fast fünf Monaten der Vergangenheit angehört. Wie sich das anfühlt, ist schwer zu beschreiben. Einerseits denke  ich noch täglich daran, andererseits kommt mir mein Aufenthalt dort ziemlich irreal vor. Der Gedanke daran, dass ich noch bis vor Kurzem auf der anderen Seite des großen Sees wohnte, erscheint mir sehr skurril…

Aber gut, so ist das wohl, wenn etwas zu Ende geht, noch dazu etwas so fantastisch Schönes! Ich will an dieser Stelle auch gar nicht zu lange auf dem Alten verharren. Nach einer Phase des Nichts-tuns im August und September (die Uni hatte noch nicht wieder begonnen), befinde ich mich nun wieder in voller Bewegung. Es hat sich einiges verändert, ich merke deutliche Unterschiede, Veränderungen, pflege andere Gedankengänge, verfolge andere Prioritäten, sehe viele Dinge anders. Ich studiere immer noch das Gleiche, nun jedoch mit dem Anspruch, mir gerecht zu werden und nicht einem diktatorischen Bildungssystem, das den Studenten einzwängt. Ich nehme mir bewusster dafür Zeit, was mir wichtig ist und unglaublicherweise merke ich dadurch, wie viel besser mir es auch in der Uni ergeht. Eine weitere Neuigkeit ist die, dass ich mich nun ehrenamtliche Teamerin des FÖFs nennen darf! Ich hätte es einfach zu schade gefunden, wäre das Jahr mit dem Rückkehrerseminar so vollkommen beendet gewesen und hatte auch schon grundsätzlich eine Riesenlust, dem FÖF treu zu bleiben und weiterzugeben, was ich vor etwas mehr als einem Jahr auf der anderen Seite erfahren durfte: Begeisterung, Freude, Interesse, Spaß.

Meine erste offizielle Amtshandlung als Teamerin liegt nun auch schon hinter mir: Ich durfte auf das diesjährige Auswahlseminar der neuen Freiwilligengeneration und mitbestimmen, welchem jungen Menschen welche Chance gegeben wird – zwar eine anstrengende aber sehr tolle Erfahrung, die mich darin bestärkt hat, auf jeden Fall weiterzumachen!

Mal ganz was anderes: Eine herzliche Entschuldigung dafür, dass ich mich nie wirklich verabschiedet habe… Ob es nun der Zeitmangel, die Überforderung der ersten Zeit oder einfach die Faulheit waren, die mich im Schreiben eines letzten Eintrages behindert haben, kann ich nicht sagen, ihr könnt euch ja eines aussuchen, was euch am besten gefällt… Da ich selber auch ein zu realistischer Mensch bin, als dass ich Versprechungen machen könnte, die ich womöglich nicht einhalten kann, werde ich auch nicht zu hundert Prozent versprechen, dass ich mich wieder melde auf diesem Blog. Ich muss erst einmal sehen, was mein Leben nun so hergibt an erzählenswerten Stories, die sich einen Platz auf dieser phänomenalen Plattform verdienen. Mit ziemlicher Gewissheit kann ich aber sagen, dass ich erstaunlich viel Spaß daran hatte, ab und zu aus meinem Jahr zu berichten und dass mich die Zahlen und Reaktionen der lieben Leserschaft sehr gefreut haben! Ich hoffe, ich konnte euch einen Einblick in mein dortiges Leben verschaffen, euch amüsieren, zum Nachdenken anregen oder einfach nur informieren.


Zuletzt beuge ich mich der allgemein gültigen Etikette und wünsche jedem und jeder ein frohes, neues Jahr 2015! Auf dass es viele besondere Momente, tolle Bekanntschaften und viele glückliche Begebenheiten für euch bereithält! 

Freitag, 1. August 2014

31. Damit ihr nicht denkt, ich sei völlig bescheuert

Wie gesagt, damit ihr nach dem letzten Eintrag nicht denkt, ich sei mittlerweile komplett durch den Wind, schicke ich einen Erguss an wortgewandter Ausdruckskraft hinterher. Nun gut, es ist im Grunde genommen nur der dritte Bericht, aber lest einfach:

Mir gefiel schon immer die Metapher des weißen, unbeschriebenen Blattes, als welches wir vor gut einem Jahr bezüglich der kommenden Erfahrungen in das ferne Lateinamerika aufbrachen. Voller Ungewissheit, Neugier, Freude und Abenteuerlust bestiegen wir damals das Flugzeug, hatten also kaum eine Vorstellung dessen, was uns bevorstünde und ließen uns damit auf ein Abenteuer ein, das ein Jahr später deutliche Spuren an uns hinterlassen würde: Das Blatt, das hinsichtlich des Jahres noch unbeschrieben war, ist nun nicht mehr weiß, es ist beschrieben mit ganz persönlichen Geschichten, es ist bemalt mit einer Vielzahl an verschiedensten Eindrücken, es ist bezeichnet mit Erkenntnissen über das Leben hier, über uns selbst, über das Leben in Deutschland, definitiv ist es aber nicht mehr leer. Es ist voll von einem Jahr Leben in Lateinamerika, voll von Gefühlen, Bildern, Momenten, Einsichten. Kurz vor dem Rückflug heißt es nun also, Worte für alle diese Veränderungen zu finden und sie mit Ihnen, lieber Unterstützerkreis, zu teilen.

PERSÖNLICHE ENTWICKLUNG
Mir fällt es ehrlich gesagt etwas schwer, meine persönlichen Veränderungen aufzufinden. Mir fehlt dazu ganz einfach die Außensicht, die am besten mit einem gewissen zeitlichen Abstand die Julia vom Anfang des Jahres mit derjenigen vergleichen kann, die ich heute bin. Ich bin mir sicher, dass ich gewachsen bin an dem Jahr und an seinen Aufgaben, dass ich reifer und offener geworden bin, doch kann ich diese Veränderungen nur schwer identifizieren, da dies einem kontinuierlichen Prozess unterlag. Im Gegensatz dazu konnte ich aber beispielsweise eindeutige Veränderungen an Mitfreiwilligen erkennen, da genau bei ihnen der zeitliche Abstand gegeben war. Was ich beobachten konnte ist, dass die Umgebung einen unglaublichen Einfluss auf die Entwicklung des Freiwilligen ausmacht. So sind Freiwillige aus dem Innenland, stupide gesagt, zu ruhigen Ökos geworden, die sich perfekt an ihre Situation im Campo angepasst haben. Freiwillige aus der Megametropole Buenos Aires hingegen genießen die Freiheiten und Möglichkeiten, die eine Großstadt bietet und sind zu lebenshungrigen, jungen Menschen herangereift. Wie sich Montevideo, als gemütliche Großstadt, auf mich ausgewirkt hat, muss wohl bei meiner Rückkehr beurteilt werden. Was ich jedoch mit ziemlicher Gewissheit sagen kann ist, dass ich viele Sichtweisen und Gewohnheiten verändert habe. So kommen mir beispielsweise viele Dinge, über die ich mich in Deutschland vielleicht noch beschwert habe, mittlerweile als absolute Nichtigkeiten und Luxusprobleme vor, räumliche Distanzen habe ich für mich komplett neu definiert, da nun eine Wegstrecke von einer Stunde Busfahrt als normal und nicht zu lange angesehen wird, Zeit spielt hier für mich nun eine ganz andere Rolle, die Prioritätenverteilung bezüglich Arbeit und Leben hat sich umgelagert, das Verständnis von Offenheit und Gastfreundschaft ist dank des Hier-erlebten ein neues geworden, es sind also solche Dinge, an denen ich merke, dass ich mich verändert habe.

VERÄNDERUNGEN IM PROJEKT
Wenn ich nun auf Veränderungen Bezug nehmen möchte, die durch meinen Dienst im Projekt stattfanden, habe ich nun eine recht klare Meinung: Ich habe weder einen riesen Beitrag geleistet, der die Arbeit im Projekt auf eine neue Ebene gehoben hätte, noch habe ich die „Welt verbessert und Armut bekämpft“, was sich ja viele Freiwillige leider anmaßen zu behaupten. In meinen Augen ist es aber auch völlig unnötig, zu erwarten, man würde so wahnsinnig viel verändern in seinem Projekt. Es ist doch viel wichtiger, sich einzugliedern in das Getriebe, das bereits läuft und das im Falle meines Projektes noch dazu sehr gut und reibungslos läuft. Womöglich ist es auch speziell in meinem Projekt so, dass ich in der Rolle als deutsche Freiwillige nicht die weitreichenden Veränderungen bringen konnte, schließlich schaut die Obra Ecuménica bereits auf Generationen von Freiwilligen zurück und hat mehrfach erlebt, was Deutsche zu gewissen Arbeitsmethoden oder Gewohnheiten sagen. Ich konnte in diesem Bereich also nur wenig „Neues“ bringen. Worin ich mir aber sicher bin, sind die kleinen, privaten Veränderungen, die ich nicht in der Rolle der deutschen Freiwilligen brachte, sondern in der Rolle der Privatperson Julia. Jeder in der Obra trägt durch seinen persönlichen Charakter auf seine spezielle Art und Weise bei, gibt den Gesprächen, dem Team, der Arbeit seine persönliche Note. So konnte ich sicherlich dem ein oder anderen Kind ganz einfach nur durch einen schönen Moment, ein nettes Gespräch, ein offenes Ohr, ein neues Spiel, das Mitteilen meines Wissens, sei es schulischer, privater, tänzerischer oder sonst noch welcher Art für einen Augenblick seinen Alltag verändern. Vielleicht sogar die Probleme vergessen machen, mit denen sie sich konfrontiert sehen. Ich glaube auch, dass ich mehr Gewinn aus dem Jahr ziehen konnte, als das Projekt aus mir, das ist in gewisser Hinsicht aber auch verständlich: Für mich war das Jahr eine komplett neue Situation, in der nichts das Gleiche war, wie es in Deutschland ist. Für das Projekt war ich ein Baustein, der in einem sonst altbewährten Gerüst neu war. Ich hoffe sehr, dass ich mich klar ausdrücken konnte und dass nichts falsch aufgefasst wird, aber ich sehe die durch mich bewirkten Veränderungen nicht auf großer, institutioneller Ebene, vielmehr sehe ich sie im Kleinen, Privaten, womit ich aber auch zufrieden bin, da man sich als Freiwilliger meiner Meinung nach davon verabschieden sollte, einem utopischen Bild des Weltverbesserers nachzueifern.

RÜCKKEHRGEDANKEN
Nach elf Monaten kann ich sagen, dass ich enorm Glück hatte mit allem, was mir widerfahren ist. Ich hatte ein Riesenglück mit meinem Projekt, mit den Menschen, die ich kennenlernen durfte, mit meiner Wohngemeinschaft, mit meiner Stadt, mit allem. Womöglich liegt es auch daran, dass mich während des gesamten Jahres eigentlich auch nie eine wirkliche Krise heimgesucht hatte. Klar hätte ich mir in einigen Momenten meine Familie und Freunde oder auch einfach nur das Deutsche herbeigesehnt, es nahm aber nie die Ausmaße eines großen persönlichen Tiefs an. Auch nun, im letzten Monat meines Aufenthaltes kann ich von Glück sprechen, da mir der Gedanke an die Rückkehr ehrlich gesagt nicht besonders schwer fällt. Natürlich werde ich Montevideo und die Menschen vermissen und in einigen Momenten mit einer großen Sehnsucht auf das Erlebte zurückblicken, im Augenblick bin ich der Rückkehr aber sehr positiv eingestimmt. Einerseits, da ich mich schon sehr auf Freunde und Familie freue und mir sehr wünsche, meine ganzen Erfahrungen endlich teilen zu können, andererseits aber auch, da es nun an der Zeit ist, zurückzukehren. Es ist für mich ok, dass das Jahr zu Ende geht und ich kann mit einem guten Gefühl auf das Erlebte und Erreichte zurückschauen: Ich habe alles das, was mir zu Beginn des Jahres wichtig war, erreicht, weshalb ich jetzt nicht das Gefühl habe, als hätte ich etwas verpasst: Ich habe eigene Ideen in der Arbeit umgesetzt, habe meinen Platz in der Arbeit gefunden, habe mir die spanische Sprache weitestgehend zu Eigen gemacht, habe viele Bekanntschaften und Freundschaften geschlossen, habe alles Mögliche an Tanz ausprobiert, über Candombe bis hin zu Tango, habe Dinge ausprobiert, die ich in Deutschland wahrscheinlich nicht ausprobiert hätte, bin gereist, einmal zusammen mit Uruguayern, einmal nur mit dem Rucksack auf gut Glück und habe viele persönliche Prozesse durchgemacht. Ich bin also zufrieden mit dem gesamten Jahr und mit mir und kann mich daher mit Ruhe auf meine Rückkehr einstellen.

Am Schluss angelangt bleibt mir nur noch eines: Ein herzliches Dankeschön auszudrücken! Für all‘ die Unterstützung, egal welcher Form sie auch war! DANKE!


 

Freitag, 25. Juli 2014

29. Weil Reisen schön ist...

Die Zeit zwischen dem 27. Juni und dem 9. Juli war mit eines der schönsten Erlebnisse, das ich während des Jahres hatte. Weshalb? Ganz einfach: Ich war reisen: Zuerst Buenos Aires: Großstadtflair, Megametropole, Feiern, Sightseeing, Menschenmassen, Verkehrsgewusel, beeindruckend und schön. Danach ging es nach ElDorado in Misiones, der Provinz Argentiniens, die am Dreiländereck mit Brasilien und Paraguay liegt, um zusammen mit den anderen Freiwilligen das Endseminar zu verbringen: subtropischer Regenwald, tolle Gespräche, schöne Einheiten, Spaß, Freundschaften, die Iguazu-wasserfälle mit den gigantischen Wassermassen, die sich atemberaubend in die Tiefe stürzen, faszinierende Tiere, die ich sonst allerhöchstens aus dem Zoo kenne und noch mehr subtropischer Regenwald. Das letzte Ziel hieß Salta und Jujuy, die nördlichsten Provinzen Argentiniens, die an Chile und Bolivien grenzen. Insbesondere dieser Abschnitt meiner Reise hinterlässt noch heute eine Sprachlosigkeit und Gänsehaut bei mir: Alleine bin ich hin, mit vielen tollen Bekanntschaften bin ich durchgereist, vollbepackt mit wahnsinnigen Eindrücken bin ich zurückgekommen. Deswegen ist es besser, ich lasse Bilder und keine Worte sprechen:

Der Parque Palermo in Buenos Aires

Über den Dächern von Buenos Aires


Die Iguazuwasserfälle

Naaasenbären, immer dort zu finden, wo es Essen gibt!


Mehr Glück kann man wirklich nicht haben: Ich wurde spontan auf eine Privatfeier mit waschechten Gauchos eingeladen; mitten in der freien Natur, mit der typischen Speise Locro und mit Ausritt durch die Wildnis...


Der Tren de las Nubes in Salta





Die Salzwüste in Jujuy - lädt zum Spielen ein



Auf knapp 4200 Höhenmetern

... und die Serpentine, die von dieser Höhe runterführt.





Den Farbton verdankt die Erde Eisenoxidationen in den Gesteinsschichten und ist das Wahrzeichen der Region.




Hab mich so in dieses Lama verliebt; stand total cool da, hat lässig in die Runde geschaut und dabei stundenlang auf ein und dem selben Grashalm rumgekaut...

fantastische Farbenspiele: rote Erde, grüner Strauch, blauer Himmel



Montag, 14. Juli 2014

28. Ein Lebenszeichen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Freunde und Familie und alle anderen, die sich diesen Eintrag zu Gemüte führen,

es ist mir ein herzliches Anliegen, mich für die lange Abwesenheit zu entschuldigen! In aller Form und mit der größten Ernsthaftigkeit möchte ich diesem Missstand entgegen wirken und mich ein 28. Mal zu Wort melden und besorgten Mitmenschen vermitteln, dass die lange Stille nicht Ausdruck eines Ignorierens der Welt östlich des Pazifiks noch einer den Fingern zugrunde liegenden Steifheit sein soll.

Was macht eine Julia also in Uruguay, wenn sie nicht von sich hören lässt?

Hahaha, eine guuuute Frage. Ich gebe euch Antwortmöglichkeiten:

1. Sie schließt sich in ihrem Zimmer ein, trotzt der Eiseskälte und lernt fleißig voraus für ihr Studium.

2. Sie wird von bösen Mitbewohnern eingeschlossen und dazu verdammt, gute von schlechten Erbsen zu trennen.

3. Sie schöpft ihr kreatives Potenzial aus und dekoriert ihr Zuhause mit allem, was ihr in die Finger kommt.

4. Sie lernt die wichtigsten Köpfe Uruguays kennen, knüpft wichtige Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Uruguay und arbeitet somit als rechte Hand des deutschen Staates.

5. Sie genießt ihr Leben, geht nur dann zur Arbeit, wenn keine Arbeit ansteht und freut sich ob der lateinamerikanischen Wärme mit allen ihren Vorzügen.

6. Sie opfert sich für ihre Arbeit auf und bekommt nichts mit außer das Leben in der Obra.

7. Sie verfolgt mit größtem Ehrgeiz ihre Karriere als professionelle Tänzerin, geht zu sämtlichen Tanzevents, trainiert 5 Stunden täglich und nimmt an Wettbewerben teil.

Auch wenn einige der Möglichkeiten enorm verlockend klingen, es trifft nichts davon zu. Ich gebe euch nun also den eigentlichen Grund, weshalb ich mich die letzten Wochen in absoluter Stille befunden habe.

Mittlerweile lebe ich von einem großen Ereignis zum anderen: Ich war in Mercedes, eine Freundin besuchen und dabei weitere Fleckchen Uruguays kennenlernen - ein hübsches kleines Städtchen, dessen Rambla den ganzen Flair der Stadt ausmacht. Lohnenswert war der Trip, da ich mal wieder schöne Gespräche hatte und ein wenig aus dem montevideanischen Alltagstrott heraus bin. 




Das Wochenende drauf durfte ich mir in einer Fortbildung anhören, wie man "Demotivierte wieder motiviert" und den Sinn des Lebens wiederfindet oder so ein Quatsch. Ich muss gestehen, dass ich diese Einheit wenig hilfreich fand, schließlich wurde uns einfach nur erzählt, man müsse auf sich achten, genügend Sport treiben, sich gut ernähren und seinen Passionen nachgehen, um den Spaß an der Arbeit nicht zu verlieren. Begleitet wurde dies von imposanten Videos, die die Weltzerstörung durch die Hand des Menschen repräsentierten - zwar wirklich gute Videos, aber ohne Zusammenhang zu den restlichen Themen und ohne folgende Diskussion wenig nützlich. Alles in allem sprang der Leiter von einem Thema zum anderen und erzählte uns dabei auch nur das, was man sowieso schon wissen sollte... 
Am selben Wochenende ging es für meinen Besuch Hannah und mich ins Theater und in diverse Örtlichkeiten des nächtlichen Tanzvergnügens. Zwischendurch probte ich zudem mit einer Arbeitskollegin und Freundin für ein Tanzprojekt, das wir als Abschiedsgeschenk für die Kinder der Obra erarbeiten. Apropos Tanzen: Ich war das erste Mal auf einer Milonga, im Prinzip eine Tango-party, die in einem unscheinbaren Hinterhof Jung und Alt zum Tangotanzen aufforderte.
Ein weiteres großes Ereignis war selbstverständlich die Weltmeisterschaft! Die Spiele mussten verfolgt werden, soweit es denn überhaupt möglich war (ich erinnere mich an defekte Fernseher, Kollisionen zwischen Arbeits- und Spielzeiten, gesperrten Live-übertragungen im Internet und ganz einfach an das Fehlen von schauwütigen Deutschen). Jetzt ist Deutschland endlich Weltmeister und der ganze Wahnsinn hat ein Ende. Eigentlich schade… Dafür wird hier demnächst ein anderer Wahnsinn anstehen: die Präsidentschaftswahlen! Mit wurde bereits angekündigt, dass ein Passieren der Straßen nahezu unmöglich sei, da sie entweder durch Plakate oder werbende Plakatmenschen versperrt sein werden. Ich bin also gespannt.

Ich war auch noch zwei Wochen auf Reise durch Argentinien, das war aber sooo fantastisch toll, dass der Reisebericht einen eigenen Beitrag verdient, der wohldurchdacht sein soll. Also gibt’s jetzt noch nix drüba zu lese :-P So, jetzt wisst ihr wieder ein wenig Bescheid über mein hiesiges Leben. Feiert den Sieg Deutschlands nicht zu heftig, das macht mich nämlich nur neidisch! Bis denne ihr Lieben,
eure Uruguay-Julia



Sonntag, 22. Juni 2014

27. Uruguay-Julia schreibt....


Ich will nach Hause, weil...

... es so arschkalt ist!!! Wer hat nochmal behauptet, Lateinamerika sei ein warmer Kontinent? Egal, wer es war, er hat eindeutig gelogen! Und warum ist sowas wie Heizung und Isolation noch nicht in Uruguay angekommen??? Und warum werden hier keine kleinen Gänse gezüchtet, die meine Bettdecken mit flauschigen Daunen füllen könnten??? Ahhh ich freue mich auf die deutsche Wärme!

... ich mal wieder Schwarzbrot, Joghurt und Döner essen will.

... klar, ich will meine Familie wieder sehen!

... ich meine Freunde mittlerweile echt vermisse!

... ich mich schon sehr auf Abschied eingestellt habe und das den Endspurt bestärkt.

... ich Angst habe, dass ich mit einer noch längeren Pause vom Studium nie wieder ins Lernen reinfinden werde.

... ich schon viele, tolle Ideen habe für Deutschland.

... ich mal wieder etwas lernen möchte, so wie in der Schule...

Ich will hier bleiben, weil...

... das mein bestes Jahr war!

... ich hier so unglaublich tolle, wertvolle und einzigartige Erfahrungen machen durfte!

... ich hier keine Prüfungen schreiben muss.

... ich jetzt eigentlich schon keine Lust auf Uni-stress habe.

... ich hier Freundschaften geschlossen habe, die ich nicht verlieren möchte.

... ich immer mehr ins Projekt hineinwachse und erst seit einigen Monaten das Gefühl habe, wirklich von Wert zu sein in der Arbeit!

... ich immer noch mehr lernen möchte: Sprache, Umgang mit den Jugendlichen und Kindern, Kultur,...

... ich noch so wenig gesehen habe von Lateinamerika! Ach, die Welt ist doch einfach viel zu schön, als dass sie ungesehen bleiben könnte...

... hier nach meiner Abreise wieder einmal der Sommer beginnt - und der war so toll!

... ich wohl auch nicht so schnell zurückkommen kann, wenn ich denn erst einmal zurückgekehrt bin.

... ich Langzeitentwicklungen mitbekommen möchte! Es ist alles in einem Prozess, dessen Werdegang ich nur ein Jahr lang mitbekommen durfte!

... hier die besseren Tänzer sind! Egal wer, jeder kann tanzen - ein Paradies.

... ich mich hier mit Umständen konfrontiert sah, die ich in Deutschland nicht haben werde: meine Umwelt, ich selbst, Zeit - all dies sind Dinge, die ich hier anders erleben darf.


Nun ja, noch habe ich zwei Monate, die ich genießen will. Vielleicht ist es auch noch viel zu früh für alle diese Gedanken, aber so sind sie schon mal gedacht und niedergeschrieben und können daher anderen Gedanken Platz machen:-)
Ich verspreche, mich möglichst zeitnah wieder zu melden und darüber zu plaudern, was alles passiert ist in den letzten Wochen, es ist nämlich eine Menge!
In diesem Sinne, herzliche, liebe Grüße von eurer Uruguay-Julia

Samstag, 17. Mai 2014

26. Der sechsundzwanzigste Eintrag


Hallo meine lieben Leser,
ich habe mal wieder was geschrieben, nicht nur, weil ich das Gefühl hatte, der Blog bedürfe dringend eines neuen Inhaltes, sondern auch, weil ich Lust hatte, zu äußern, was ich denke und weil ich aufgrund des Blutdrucks einer 90-jährigen nichts unternehmen kann, außer zuhause zu bleiben und deswegen ausnahmsweise Zeit habe.

Ich war im Theater! Das Theater heißt Teatro Solis, ist das zweitgrößte Theater Lateinamerikas, präsentierte an einem regnerischen Dienstag das moderne Tanzprojekt „El Mutualista“, in dem auch eine Arbeitskollegin und Freundin mittanzte, ermöglichte mir durch Zufall den kostenlosen Eintritt, obwohl Karten erst ab 200 Peso erhältlich waren und verhalf mir zu netten Kontakten zu Mexikanern, die direkt neben mir saßen, blablabla, alles nur Hintergrundinformation und unwichtig. Ich schwenke daher eiskalt auf meinen Eindruck:
Nun gut, was soll ich als klassisches Ballettmädchen zu springenden, wild um sich schlagenden, rennenden, schreienden, lachenden, gewalttätigen Menschen sagen? Ich weiß es absolut nicht! Ich kann nur sagen, dass ich keinerlei Tanz oder Technik gesehen habe, dafür aber mit Bildern konfrontiert wurde, die in mir eine wahre Gefühlsachterbahn ausgelöst haben. Belustigung, da 80 Menschen im gleichen Moment aus tiefstem Herzen lachten, Angst, da die gleichen 80 Menschen schon im darauffolgenden Moment aus dunkelster Seele schrien, Unverständnis, da 80 Menschen eine Ewigkeit lang nur umherliefen und hinfielen, Bedrohung, da 79 Menschen einen Menschen auf die brutalste Art und Weise wegstießen, umherwirbelten und wegzerrten, Entsetzen, da sich 80 Menschen zum Schluss entkleideten, einige sogar bis hin zum Neugeborenenkleid, Ekel, als sich die 80 nackten, beziehungsweise halbnackten Menschen als großer Menschenknäuel formierten und über die Bühne rollten, noch mehr Entsetzen, als die wenigen komplett Entblößten sich nicht einmal anschickten, sich zum Abschlussapplaus ein Stück Stoff anzulegen. Nein im Ernst, ich weiß wirklich nicht, was ich darin sehen oder interpretieren soll.



An dieser Stelle merke ich auch, dass ich das, was ich ursprünglich schreiben wollte, nicht schreiben kann, da sich meine Meinung in den vergangenen Monaten beträchtlich geändert hat. In den ersten Monaten meines Aufenthaltes hatte ich das Gefühl, dass das Bildungsniveau deutlich niedriger sei als das in Deutschland. Genährt wurde der Eindruck durch die Tänzer, die eine Tanzausbildung haben aber dennoch keine Technik, durch das, was ich im Projekt an Bildung mitbekam und durch „Studien“-inhalte meiner Mitbewohner. Es verwunderte mich immer, dass beispielweise ein Student meinte, er müsse so unglaublich viel Schweres für sein Studium lernen, als ich mir seine Materialien allerdings durchsah, erinnerte mich das an die 11. Klasse eines Gymnasiums. 

Mittlerweile ist mir allerdings bewusst, dass ich mich sehr einseitig habe leiten lassen in meinen Eindrücken. Dass das Bildungsbild im Projekt nicht als uruguayischer Durchschnitt zu werten ist, dürfte klar sein. Schließlich arbeite ich mit Kindern und Jugendlichen aus sozial schwierigen Verhältnissen in einem Armenviertel Montevideos.
Das, was der Student zum Schwierigkeitsgrad seines Studiums meinte, ist als subjektive Meinung zu werten. Zudem umfasst der Begriff „Studium“ hier einen größeren Bereich an Bildungswegen als in Deutschland, es ist also auch einfach nur ein definitionsbedingtes Problem.
Zwischenzeitlich konnte ich einen Einblick in andere Studiengänge gewinnen und soweit ich das beurteilen kann, sind  diese unseren deutschen Studiengängen sehr ähnlich. Die Technikstudenten quälen sich mit hässlichen Matherechnungen und die Tiermediziner dürfen sich jeden einzelnen chemischen Prozess im tierischen Körper einprägen.

Wahrscheinlich fehlt mir aber sowieso der Einblick in das Gesamtsystem, um das Alles beurteilen zu können und die Zeit, die ihr damit verwendet habt, den Eintrag zu lesen, ist absolut verschwendete Zeit. Damit die Lektüre doch nicht ganz umsonst war, schlage ich vor, ihr sucht alle Wörter, die mindestens drei Vokale enthalten heraus und behaltet diese Wörter als Geschenk in einer kleinen Kiste. Punkt, aus, fertig, ich bin müde und geh jetzt essen!